Weiter geht es mit dem Thema Erinnerungen. Erinnerungen von oder an seine Lieben.
Ich finde es einfach so schön und wichtig, etwas zu haben, das bleibt. Was das ist, kann ganz individuell sein. Genau das, was passt. Das spürt man meiner Meinung dann, wenn es soweit ist. Da glaube ich fest ans Bauchgefühl.
Es gibt mittlerweile übrigens auch ganz viele wunderbare Angebote, die man wahrnehmen kann, wenn es um Erinnerungsstücke geht. Ich bin zum Beispiel ganz verliebt in die ZAPOS von mapapu. So einen möchte ich ganz unbedingt haben. Und ich möchte nicht warten, bis einer meiner Lieben stirbt, sondern sie alle auch so schon stärkend und schützend dabei haben können. Mal schauen, wann ich es realisieren kann.
Das Feld der gefertigten Erinnerungsstücke ist weit. Man kann Schmuck aus der Asche seines Verstorbenen herstellen lassen, bzw. diese einfüllen; sich eine Haarsträhne in einen Kettenanhänger legen; sich oder seinen Kindern ein tolles mapapu nähen lassen und und und.
Ich bin ja immer ein großer Fan vom selber gestalten, fertigen, nähen, machen. Das habe ich für mich selbst als sehr heilsam empfunden. Der Zugang zum Innersten ist ein anderer, wenn man in irgendeiner Form kreativ und im Tun ist. Und der Verlust kann meiner Meinung nach auf tieferen Ebenen verstanden und verarbeitet werden. Außerdem kann es zum Beispiel verwaiste Eltern zurück in die Selbstwirksamkeit führen. Es kann etwas getan werden, zum Beispiel kann der Sarg gemeinsam gebaut oder bemalt werden, ein Deckchen genäht, Grabschmuck gefertigt werden etc. So kann sich nach und nach die Ohnmacht verringern und der Verlust wirklicher und ein Teil des eignen Lebens werden.
Das mag ich auch in der Begleitung total gerne, weil es meiner Meinung nach eben sehr wirkungsvoll ist. Auch wenn die ersten Reaktionen ganz häufig „Ich bin aber gar nicht kreativ…, kann gar nicht malen…“ etc. sind. Es geht nicht um richtig oder falsch oder einen Wettbewerb für das schönste Erinnerungsstück. Es geht ums Fühlen und Verinnerlichen. Ums sich verbunden fühlen, darum sich schöne Momente ins Gedächtnis zu rufen. Und es wird etwas geschaffen, was dann wiederum ebenfalls zu einem wertvollen Erinnerungsstück werden kann. Nämlich eine Erinnerung an den Verlauf und die Entwicklung der eigenen Trauer und des eigenen Lebens.
Vor kurzem habe hat sich mir noch eine weitere Perspektive zum Thema Erinnerungen aufgetan. Ich hatte einen Aha – Moment, den ich als sehr bereichernd empfunden habe und gerne als Inspiration teilen möchte.
Das könnte außerdem ein sanfter Einstieg sein, um innerhalb der Familie oder auch im Freundeskreis an Themen zu gelangen, die sich eigentlich erstmal schwer und sperrig anfühlen und eben auch eine schöne gemeinsame Erinnerung schaffen…
Ich habe das große Glück, dass meine Großeltern, die mir sehr nahe sind, noch leben und es ihnen gesundheitlich weitestgehend gut geht. Die beiden sind (einer der beiden knapp) 82 Jahre alt. Ich bin sehr froh, dass wir über das Thema Endlichkeit und Sterben miteinander sprechen können. Nur stückchenweise und nicht über alles. Aber eben doch ein bisschen und vor allem in Zeiten, in denen es noch nicht unmittelbar dran zu sein scheint. Das ist mir persönlich sehr wichtig. Und ich weiß auch, dass es in vielen Familien anders ist, dass das Thema umkreist, aber nicht wirklich berührt wird.
Bei unserem letzten Besuch in Mecklenburg saßen wir beim gemeinsamen Frühstück. Meine Oma, mein Opa, meine Kinder, mein Mann und ich. Wenn wir dort sind, gibt es für jeden ein Frühstücksei. Immer. Und dass ist hart gekocht. Immer. Schon als ich ein Kind war, gab es morgens bei Oma und Opa ein hart gekochtes Frühstücksei. Das ist bei mir mittlerweile vermutlich fest zellulär verankert und mir würde es schmerzlich fehlen, wenn es dieses Ei nicht geben würde, oder es gar weich wäre.
Der Schmunzelpunkt ist, dass meine Oma fast jeden Morgen aufs Neue ehrlich überrascht ist. Sätze wie „Oh, jetzt habe ich wieder vergessen, auf die Uhr zu gucken.“, „Oh, heute werden die Eier wohl hart.“ oder gerne und oft auch die Kurzfassung von alledem „Ach Scheiß…“ gehören am Morgen in die Küche. Genauso, wie am Abend die Aufzählung meines Opas darüber, wie er seinen Lottogewinn aufteilen würde, wenn seine Zahlen an diesem Abend die gezogenen wären, in der „Stube“ nicht fehlen dürfen. Das alles ist mittlerweile selbst für meine Kinder schon zum Running Gag geworden. Und doch lieben wir es und möchte es nicht missen.
Als wir dieses Mal zusammen saßen, kam mir eine Erinnerung aus meiner frühen Kindheit in den Sinn. Ich habe mich erinnert, wie ich früher oft am Küchentisch sitzend mit der Eieruhr gespielt habe, während Oma gekocht oder gespült hat. Das Zuhause der beiden ist mittlerweile ein anderes, die Einrichtung ist aber fast komplett mit umgezogen. Mein Blick ging in diesem Moment automatisch Richtung Küchenregal, dorthin wo die Eieruhr früher stand. Sie war nicht zu sehen, also fragte ich nach.
Meine Oma wusste es selbst nicht genau und ging nachschauen. Und siehe da, das gute Stück war nur verschoben und den Kaffeepads gewichen. Ich nahm die „Eieruhr“ und erzählte von meiner Erinnerung und davon, wie sehr die hart gekochten Eier für uns zum Frühstück dort gehörten. Auf meine Frage, ob sie die Uhr schon jemals genutzt hätte, musste sie selbst herzlichen lachen. Das war so ein Moment, in dem ich gemerkt habe, dass diese alte Sanduhr eine Verbindung zu so vielen schönen, gemütlichen, lustigen und vor allem gemeinsamen Frühstücken war. Sie war mit so vielen schönen und warmen Gefühlen besetzt und bekam durch das gemeinsame Teilen dieser Erinnerungen an diesem Morgen mit drei Generationen nochmal ein kleines extra Sahnehäubchen draufgesetzt.
Die Eieruhr steht jetzt in unserer Küche im Regal. Oma und Opa brauchen sie nicht, sie haben so ein Aufziehding, haben sie gesagt. Und benutzen tun sie es ja eh nicht. Wir vermutlich auch nicht, zumindest jetzt noch nicht. Die beide freuen sich, wenn sie einen Platz bei uns findet. Und ich finde sie ganz besonders. Natürlich auch meine Großeltern, aber gerade meine ich die Uhr. Auch wenn sich die schönen Gefühle mit unschönen Gefühlen und der Tatsache, dass das Leben endlich ist, auch das meiner Großeltern, mischen. Dafür ist diese Sanduhr auch ein wunderbar passendes Bild…
Ich möchte Euch motivieren, in Euch rein zu fühlen, wenn Ihr Eure Eltern, Großeltern oder andere Euch wichtige Menschen besucht. Gibt es Dinge, die von emotionaler Bedeutung für Euch sind und wenn ja, warum sind sie das. Was verbindet ihr damit? Vielleicht könnt Ihr Euren Lieben das erzählen, Eure Erinnerungen austauschen. Das kann alles Mögliche sein. Opas Nussknacker, Papas Hammer, Omas Stricknadeln, Mamas Dosenöffner. Ihr wisst, was ich meine. Traut Euch. Damit meine ich nicht, räumt Euren Familien die Bude leer. Aber erzählt es Ihnen, wenn ihr etwas ähnliches für Euch feststellt. Dieser Austausch kann ganz bereichernd und berührend für beide Seiten sein. Und eben auch ein Türöffner…
Vielleicht gibt es auch etwas, dass Erinnerungen und Emotionen wach ruft, womit Ihr so, wie es ist aber nicht wirklich etwas anfangen könnt. Da kommt dann wieder die Kreativität ins Spiel. Ein paar schöne Inspirationen dazu habe ich bei einem Workshop mit Anemone von Vergiss Mein Nie letztes Jahr in Bremen mitnehmen können. In der Hamburger Erinnerungswerkstatt wird unter anderem gemeinsam mit den Trauernden geschaut, wie Erinnerungs- und Erbstücke umfunktioniert werden können, damit sie für die Person ins hier und jetzt passen. Ein sehr schöner Ansatz, wie ich finde.
Auch diesen Blog beende ich mit einem Appell ans Bauchgefühl. Das wird aufzeigen, was wichtig ist und womit die Verbundenheit spürbar ist. Und dass ist ja irgendwie das, worauf es ankommt.
Alles Liebe
Betty