Corona. Irgendwie Ausnahmezustand. Mehr Einschränkungen und Besonderheiten, als die meisten von uns vermutlich in ihrem bisherigen Leben erfahren haben. Einige lernen ein ganz neues Gefühl kennen. Die Trauer. Und es gibt im Moment weitaus mehr zu betrauern als „nur“ den Tod.
Zum Beispiel die Unbeschwertheit und die Sorglosigkeit. Die Einschränkungen des alltäglichen Lebens bzw. das, was es mit sich bringt, also die Konsequenzen. So kann man eben nicht einfach mal seine Lieben treffen, ins Café gehen der sich zum Bier verabreden. Außerdem gehen Unternehmen kaputt, lang ersehnte Termine finden nicht statt, Urlaube werden storniert. Aufträge werden zurückgezogen, Menschen verlieren ihre Jobs und Existenzen und und und. Jeder von uns wird mindestens eine Person kennen, die von den Auswirkungen unmittelbar betroffen ist.
Eine sehr besondere Zeit. Krisengeschüttelt ist ein Wort, das mir spontan in den Sinn kommt. Aber auch Worte wie Zusammenhalt und zusammenrücken huschen direkt hinterher.
Es ist fürchterlich in den Medien zu sehen, wie es in anderen Ländern, teils gar nicht weit von uns entfernt, im Moment zugeht. So viel Sterben, so viel Leid, so viel Trauer. Auf den ersten Blick so wenig Chancen und so wenig Möglichkeiten.
Es bricht mir das Herz, zu sehen und zu hören, dass vor allem ältere an Covid-19 erkrankte Menschen, zum Beispiel in Italien, gerade allein sind an ihren letzten Tagen, in ihren letzten Stunden. Die Familien und Freunde dürfen nicht dazu kommen, Abschied nehmen, begleiten. Ich verstehe das, es ist wichtig. Und es ist gegen alles, was ich mit meiner Haltung zu den Themen Sterben, Tod und Trauer für „gut“, menschlich und heilsam empfinde. Besonders für die, die bleiben.
Allein der Versuch, den Gedanken zu denken, dieses Geschehen auf meine eigene Familie zu übertragen, geht nicht. Es ist nicht vorstell- bzw. aushaltbar. Genau das ist es aber, was gerade die Realität vieler tausender Menschen ist.
Zum Glück noch nicht hier. Noch ist es nicht so dicht, noch ist es weit genug entfernt von den eigenen Lieben. Ausatmen. Einatmen. Und doch wäge ich mich nicht in Sicherheit, glaube nicht, dass das Thema uns nicht doch an irgendeiner Stelle berühren oder streifen kann.
Ein Grund mehr für mich, die Augen vor den Geschehnissen in den anderen Ländern nicht zu verschließen. Auch wenn es mir allabendlich die Tränen in die Augen treibt und mich schaudern lässt.
Die aktuelle Situation bringt neben all den negativen Auswirkungen, unter anderem für Freiberufler, Kleinunternehmer und die Wirtschaft überhaupt, auch Gutes mit sich. Familien rücken zusammen. Der Fokus verändert sich. Die Menschen besinnen sich wieder mehr darauf, was wirklich wichtig ist in ihrem Leben. Was ist es, worauf es wirklich ankommt? Andere fragen sich, was sie grundsätzlich selbst in dieser Zeit bereit sind für ein gesundes Miteinander zu geben oder zu tun?
Und dann beglückt es mich total, eine Solidarität zu erleben, die es so, glaube ich, noch vor wenigen Wochen nicht gab. Und so zeigt diese bescheuerte Zeit auch auf, was sonst noch so geht. Ein kleiner Einkauf für die älteren Nachbarn, endlich die gebührende Wertschätzung für all die Menschen aus der Pflege und Betreuung und vieles mehr. Es begegnen mir täglich Dinge (natürlich im Netz, wir sind ja zu Hause) die mich schmunzeln lassen und die mein Herz berühren. Besonders für Kinder wird gerade viel gemacht und meist kostenfrei übers Internet zu Verfügung gestellt. Dafür bin ich dankbar und empfinde es als wichtig, denn für sie ist die physische Distanzierung noch herausfordernder als für uns Erwachsene.
Eine weiterer Nebeneffekt, den ich wahrnehme, ist, dass meine Herzensthemen Sterben, Tod und Trauer gerade zwangsläufig präsenter sind. Und die Menschen schauen nicht, wie sonst häufig, weg. Zumindest nicht so viele. Der Tod ist mit einem großen Schritt mitten in unsere Gesellschaft getreten. So funktioniert die Taktik, einfach gar nicht drüber nachzudenken, weil betrifft mich ja nicht, nicht mehr so gut. Oder gar nicht. Plötzlich sehen sich viele doch mit der Frage „Was hat das mit mir zu tun?“ konfrontiert und müssen sich damit auseinander setzen.
Da ich ja ein großer Fan davon bin, dass sich Menschen an diese Themen heran trauen, sehe ich die aktuelle Situation als eine große Chance. Nicht nur diesbezüglich übrigens. Was wäre, wenn? Was möchte ich? Was möchte ich für meine Lieben? Was braucht es an Vorsorge? Habe ich ungeklärte Themen? Wie lebe ich mein Leben und möchte ich das weiter wie bisher?
Das alles sind nur einige der Fragen, die einen mehr mit sich selbst in Verbindung bringen. Übrigens ein positiver Effekt, der durch fast alle Krisen eintritt. Und verbunden sein mit sich selbst und verbunden sein mit seinen Lieben empfinde ich als etwas sehr Positives.
Durch diese Allgegenwärtigkeit der Konsequenzen einer Infektion mit dem Coronavirus und der Tatsache, dass es manchmal eben doch nicht „noch lange hin“ ist und Krankheit oder Tod einen auch unvorbereitet treffen kann, gelangen diese Themen auch wieder mehr in die familiären Gespräche. (Natürlich am Telefon, denn es bleiben ja jetzt endlich alle zu Hause.) Und in die Freundeskreise auch.
Auch das ist für mich persönlich ein positiver Nebeneffekt. So wird eben doch mal über das gesprochen, was viele Familien aus verschiedensten Gründen vor sich her schieben oder unausgesprochen belassen.
Und das finde ich persönlich richtig gut. Es ist für alle Beteiligten wertvoll, über diese oft erstmal schwer wirkenden Themen miteinander ins Gespräch zu gehen. Es kann Klarheit schaffen. Und Entlasten, wenn man eine Idee davon hat, wie seine Lieben zu gewissen Themen stehen. Es kann aufzeigen, was vielleicht noch dran ist – also miteinander. Und es schafft eben nochmal eine andere Ebene des Miteinanders und der Verbundenheit.
Wichtig finde ich, milde zu bleiben. Ja, ich befürworte den offenen Umgang. Und doch gibt es gute Gründe für die Menschen, die sich davor scheuen. Auch das darf sein und sollte nicht bewertet oder verurteilt werden.
Meine ganz große Hoffnung ist es, dass der Tod, bzw. das Wissen um seine Existenz nicht wieder aus unserer Mitte geschoben wird, sobald sich dieser aktuelle Corona – Wahnsinn „normalisiert“ hat. Ich wünsche mir, dass die Menschen offen bleiben für das Thema. So können wir alle, die diese Themen zu ihren Herzensangelegenheiten erklärt haben und quasi die Experten auf dem Gebiet sind, künftig nochmal ganz anders arbeiten.
Es kann durch all das, was jetzt gerade passiert, ein geebnetes Feld entstanden sein. Ein offenerer Rahmen für Aufklärung und Prävention. Und ja, auch bei Kindern. Besonders bei bzw. gemeinsam mit den Kindern. Die sind so frei und toll damit und doch denken viele Menschen und Einrichtungen, die Kinder davor schützen zu müssen. Dem ist aber überhaupt nicht so, denn schützender ist es, Kindern einen Rahmen zu geben, in dem sie mit ihren Gedanken, Sorgen und Ängsten sein und gehört werden können. Wenn man ihnen aufzeigt, dass und wie man einen Umgang mit den Themen finden kann, nehmen sie mehr mit für ihr Leben als durch den vermeintlichen Schutz. Und Corona ist ganz sicher nicht unbemerkt an ihnen vorbei gegangen. Sie haben sicher zahlreiche Gedanken dazu, was ein guter Einstieg in die Thematik an sich sein kann.
Ebenso kann mehr Auseinandersetzung damit, was wirklich gewollt wird, künftig auch mehr Selbstbestimmung für das Sterben aber auch für Bestattungen etc. mit sich bringen.
Ich blicke zuversichtlich in die Zukunft und bin ganz gespannt, was sich gesellschaftlich, wirtschaftlich und natürlich zwischenmenschlich alles verändern wird. Da muss ich an etwas denken, dass mir öfter im Zuge von Krankheiten oder eben der Trauer begegnet ist. Eigentlich bringen verschiedenste einschneidende Erlebnisse diese Tatsache mit sich. So auch das hier gerade. Für fast alle von uns. Quasi kollektiv:
Wir werden nicht mehr so sein, wie wir vorher waren. Das Drumherum wird nicht mehr sein, wie es vorher war. Es kann alles wieder gut sein und doch wird es anders sein. Im besten Fall sind wir gestärkter. Ich drücke uns allen die Daumen.