Trauerbegleitung Was ist das eigentlich?

In den letzten Jahren begegneten mir immer wieder zwei Reaktionen, wenn ich Antworten auf die Frage, was ich eigentlich mache, gab. Die eine war der Satz „Oh Gott wie schlimm, das könnte ich nicht!“ Die andere Reaktion waren fast sichtbar schwirrende Fragezeichen über den Köpfen der Fragenden. Die Fragezeichen standen unter anderem für „Was ist DAS denn?“ und „Was macht man da?“. Leider auch für „Wozu soll das gut sein?“ oder „Wer nimmt denn SOWAS in Anspruch?“.

Natürlich gibt es auch richtige viele Menschen da draußen, die eine Idee davon haben, selbst bereits Berührungspunkte hatten oder selbst mit den Themen Sterben, Tod und Trauer zu tun haben. Diese sind es in der Regel auch, die es überhaupt nicht „schlimm“ finden, das zu tun. Im Gegenteil. Menschen, die selbst schwere Verluste überleben mussten oder welche in ihrem Umfeld miterlebt haben, begegnen mir oft mit ehrlicher Wertschätzung und Dankbarkeit für meine Arbeit.

Und was genau ist das nun? Was macht ein*e Trauerbegleiter*in?
Ich kann das, denke ich, nicht komplett pauschalisieren. Jede*r bringt andere Voraussetzungen, andere Rucksäcke, eine andere Persönlichkeitsstruktur und ein anderes Sein mit.

Ich kann Euch aber erzählen, worum es grundsätzlich geht. Es geht darum da zu sein. Es geht darum, den Schmerz mitzutragen. Es geht darum, den Schmerz, die Tränen und das Leid der Trauernden (aus)zuhalten. Es geht darum, die Menschen zu begleiten. Begleiten auf ihrem Weg durch die tiefen Täler, die sich auftun können. Begleiten bedeutet für mich, da bzw. dabei zu sein. Dabei sein im Tempo des Trauernden. Ihn nicht von hinten zu schieben oder von vorne zu ziehen.

Es bedeutet, nicht mit vermeintlich gut gemeinten Ratschlägen um die Ecke kommen. Nicht meinen zu wissen, was die Trauernden jetzt brauchen würden.

Stattdessen bedeutet es einen Raum zu öffnen, in dem die Trauernden einen geschützten Rahmen haben. Einen geschützten Rahmen in dem alles sein, gefühlt und gesagt werden darf. In dem Tränen fließen oder auch mal nur geschwiegen werden darf. In dem zugehört und nicht bewertet wird. In dem nicht versucht wird, den Schmerz weg zu trösten und „alleswiedergutzumachen“.

Es geht um einen Rahmen, in dem Möglichkeiten angeboten werden können, um mit seinen Gefühlen und Emotionen in Kontakt zu kommen oder diesen Ausdruck zu verleihen. Einen Rahmen, in dem es Antworten auf grundsätzliche Fragen zum Thema Trauer geben und ein Erfahrungsaustausch stattfinden kann.

Viele Menschen sind an den Umgang mit Verlusten und eben daraus resultierender Trauer nicht gewöhnt oder gar darauf vorbereitet. Im Gegenteil… Die Themen finden in unserer Gesellschaft kaum noch Platz. Es ist nicht viel Raum für „Es geht mir nicht gut.“ oder „Es geht gerade nichts mehr.“ Alles ist darauf ausgelegt zu funktionieren. Auch in der Kindheit wurde meist kaum eine Basis geschaffen, da leider der Irrglaube besteht, dass es besser für die Kinder wäre, diese Themen von ihnen fern zu halten, sie zu schützen. So fühlen sich viele Menschen ohnmächtig und sind fast starr vor Schock, wenn es sie plötzlich und unmittelbar betrifft.

Die Begleitungen können ganz unterschiedlich aussehen und an verschiedenen Punkten ansetzen. Es gibt Einzelbegleitungen oder auch Treffen für eine Familie oder einen Freundeskreis. Außerdem gibt es die Arbeit in Gruppen, Selbsthilfegruppen und in Trauercafés.

Eine weitere Komponente ist die Krisenintervention. Die kann bei plötzlichen oder gewaltvollen Toden in Anspruch genommen werden. Ich biete zum Beispiel den Besuch in einer Kita oder Schule an, wenn dort eine Gruppe oder eine Klasse betroffen ist. Das kann durch den Tod eines Kindes, eines Mitglieds des Kollegiums oder auch einen nahen Angehörigen eines Kindes der Fall sein.

Für jede*n Trauerbegleiter*in passt etwas anderes und somit ergeben sich verschiedene Möglichkeiten für die Trauernden. Jede*r kann schauen, was sich gut und stimmig für sie oder ihn anfühlt. Relativ häufig zeigt sich auch eine Art Verlauf. Wo vielleicht in der akuten Phase noch eine Eins-zu-eins-Begleitung gewünscht war, braucht es irgendwann eher den loseren Rahmen des Austauschs mit anderen Betroffenen beim Trauercafé.

Ein schöner Aspekt bei Trauer- oder Selbsthilfegruppen ist z.B. die Vielfältigkeit. So gibt es die verschiedensten Gruppen für Betroffenen, z. B. verwaiste Eltern, jung verwitwete Männer, Frauen deren Männer im bereits betagteren Alter gestorben sind, Hinterbliebene bei Suizid etc. Und natürlich – und das liegt mir besonders am Herzen – Gruppen für trauernde Kinder und Jugendliche. Dann auch hier sind die Bedürfnisse nochmal ganz anders und es ist wichtig, dass diese gesehen werden.

Der Ansatz ist es unter anderem, dass die Betroffen sich austauschen können. Meist sind sie an verschiedenen Punkten auf ihren Trauerwegen und können so einander bereichern. Außerdem schafft es eine Verbundenheit, die schwer in Worte zu fassen ist, wenn da jemand ist, der genau den gleichen Mist erlebt hat…

Achso, wichtig zu benennen finde ich noch den Kostenfaktor. Dieser ist sehr unterschiedlich und hängt unter anderem davon ab, ob es einen Träger im Hintergrund gibt. Dann kann das Angebot der Begleitung meist unentgeltlich oder gegen einen kleinen Unkostenbeitrag genutzt werden. Der Großteil der Kosten wird über Spendengelder, die eine gemeinnützige Organisation oder ein Verein einnehmen darf, abgedeckt.

Ich arbeite seit dem letzten Jahr freiberuflich. So kann ich meiner Meinung nach mehr in meinem Kompetenzfeld agieren und genau da ansetzen, wo es gebraucht wird. Bedeutet aber auch, dass ich Kosten für Versicherung, Raummiete, Mitgliedsbeiträge in Vereinen, Weiterbildungskosten etc. zu tragen habe. Das bedeutet im Rückschluss auch, dass ich meine Arbeit nicht mehr ausschließlich ehrenamtlich anbieten kann und möchte. Ich habe zwar einen therapeutischen Backround, kann aber nicht mit Krankenkassen abrechnen. Zudem ist die Trauerarbeit grundsätzlich nichts, was von den Krankenkasse getragen wird. Hier wünsche ich mir Verständnis für mich und alle freiberuflichen Kolleg*innen. Denn nein, niemand von uns möchte sich am Leid der anderen bereichern.

Leider weichen Angebot und Bedarf noch immer voneinander ab. Aber es verändert sich etwas. Nur Stück für Stück aber dafür stetig.

Eine wichtige Veränderung findet jetzt gerade statt. Die durch den neuen Coronavirus bedingten Einschränkungen bringen auf der anderen Seite eine Öffnung mit sich. Es wird digitaler bzw. die Bereitschaft, die bereits vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen steigt.

Ich habe mich damit anfänglich schwer getan. Erst mit dem Gedanken an sich und dann mit der technischen Umsetzung. Nun sind beide Prozesse durch und ich freue mich auf die neuen Herausforderungen, vor allem aber darüber per Videotelefonie weiter arbeiten zu können. Klar, es ist nicht so, wie wirklich beieinander zu sein. Aber es ist eine Alternative, für die ich sehr dankbar bin.

Wie auch immer das Miteinander stattfindet, ob der geschützte Rahmen on- oder offline ist, ob kreativ gewerkelt oder „nur“ gesprochen wird… Ziel ist es, dass die Trauernden in ihrem neuen Leben, dem Leben ohne ihren geliebten Menschen oder das geliebte Tier ankommen – sich quasi neu einrichten können. Dass sie die Liebe zu ihrem Verstorbenen weiterhin fühlen und leben können und auch wieder Freude und Lebenslust verspüren können. Und auch, dass sie gestärkt, selbstbestimmt und im seelischen Gleichgewicht ihren weiteren Weg gehen können.

All das passiert nicht von heute auf morgen. Weder mit Begleitung noch ohne. Es gibt kein „Richtig“ und kein „Falsch“. Es ist wie es ist und ich bin überzeugt davon, dass es wieder gut werden kann. Seid geduldig und sanft mit Euch und Euren Lieben.

Alles Liebe
Betty